Der Ostermonat bringt das erste Grün in die heimischen Gefilde zurück. Die Tage sind deutlich länger und die Sonne strahlt bereits kraftvoll vom Himmel. Die Nächte werden angenehmer und die Nachtschwärmer treibt es wieder in die Straßen. Das Wiederbeleben der Natur lädt zum Wandern ein und die ersten Erkundungstouren führen zurück ins Schiefergebirge. Im Fokus stand eine Grube, an der wir bereits öfter vorbeikamen. Dieses Mal erkundeten wir das Gelände weiträumiger und fanden viele spannende Stellen auf beiden Seiten des Tals.
Unmittelbar vor dem Mundloch der unteren Sohle sind einige Gebäude aus der Betriebszeit erhalten geblieben. Zum Teil werden diese nachgenutzt. Uns war es möglich, mit dem Besitzer ins Gespräch zu kommen. Er konnte uns sogar etwas über die Grube und ihrer Geschichte erzählen.
In dem Gespräch ging es unter anderem darum, dass für den Grubenbetrieb Kriegsgefangene eingesetzt wurden. Für die Unterbringung gab es auf dem Grubengelände oder in unmittelbaren Nähe eine Unterkunftsbaracke. Natürlich bin ich bei solchen Aussagen immer erst skeptisch. Die Wörter Zwangsarbeit, Arbeitslager und Nationalsozialismus sind schnell in die Runde geworfen und bieten Raum für Spekulationen. Doch machte der Herr nicht den Eindruck, Hörensagen verbreiten zu wollen.
Bei der Vorbereitung zu diesem Beitrag habe ich daher zum Thema 2. Weltkrieg recherchiert und ein wirklich interessantes Buch gefunden. In dem Roman wird die Grube Beckersbruch explizit erwähnt. Diesen geschichtlich wichtigen Aspekt möchte ich weitergeben. Angesichts dessen werde ich die Grube beim Namen nennen.
Als Recherchegrundlage ist der französische Roman „The Long Holiday“ von Francis Ambriére zu nennen. Das Buch erschien 1946 erstmals in französischer Sprache und später ins Englische übersetzt. In dem Buch beschreibt der Schriftsteller Francis Ambriére seine Erlebnisse in deutscher Kriegsgefangenschaft.
In dem Buch wird das Kriegsgefangenenlager Wiebelsheim mit der Bezeichnung Stalag XIIC genannt. Das Kriegsgefangenenlager existierte von April 1940 bis September 1941 und stand unter dem Kommando des Wehrkreises XII Wiesbaden. Ambriére beschreibt, wie er aus Koblenz nach Oberwesel kam und dort im Postamt eingesetzt wurde. Als Unterkunft diente das zu dieser Zeit beschlagnahmte Hotel Schönburg in Oberwesel. Von dort ging es schließlich in das Außenlager Beckersbruch, welches zum Kriegsgefangenenlager Wiebelsheim gehörte.
Zitate:
„Unser Lager befand sich an der Straße nach Wiebelsheim, 8 Kilometer entfernt vom Hauptgefangenenlager XIIC.“
„Das Arbeitslager Beckersbruch war eingerichtet worden, um die Fertigstellung öffentlicher Arbeiten zu erleichtern, die der Krieg unterbrochen hatte.“
Die Arbeit, welche die Kriegsgefangen leisten mussten, verrichteten sie zum Großteil im Straßenbau und in den anliegenden Steinbrüchen.
„Am Rheinufer von Boppard war ein Steinbruch, zu dem jeden Morgen etwa zwanzig Häftlinge mit dem Auto transportiert wurden. Alle anderen schufteten an einer neuen Straße, die von Oberwesel nach Wiebelsheim aufstieg.“
Was ich nicht finden konnte, ist die Erwähnung der Grube Beckersbruch im Kontext des Einsatzes von Kriegsgefangenen in der Grube. Ich gehe davon aus, dass wenn Ambriére in der Grube eingesetzt worden wäre, dies mit großer Wahrscheinlichkeit in seiner Niederschrift erwähnt hätte. Was natürlich nicht ausschließt, dass Kriegsgefangen im Beckersbruch eingesetzt wurden.
Erwähnenswert ist weiterhin, dass es den Kriegsgefangenen im Lager Beckersbruch vergleichsweise gut ging. Wenn man das in ihrer Situation so nennen kann.
„Wir waren nicht allzu schlecht dran. Unser Essen war das beste und das Üppigste, was ich in Deutschland hatte. Aber wir erhielten keine Nachrichten unserer Familien.“
Völlig anders beschreibt er die Situation im Hauptgefangenenlager Wiebelsheim XIIC. Die Versorgung und Unterbringung waren dort deutlich schlechter. Viele Wachleute waren überzeugte Nationalsozialisten. Der Lagerarzt wird als gefürchtete Person beschrieben.
Nach diesem Buch sehe ich Oberwesel und den Beckersbruch mit anderen Augen. Nicht unbedingt als einen schlechten Ort aber mit mehr Ehrfurcht.
Es hängt so viel mehr an solch einem Ort als nur eine Fledermaus an der Firste!